{"id":11909,"date":"2022-12-01T10:00:33","date_gmt":"2022-12-01T09:00:33","guid":{"rendered":"https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/?p=11909"},"modified":"2025-06-23T10:02:55","modified_gmt":"2025-06-23T08:02:55","slug":"wirksame-therapie-oder-placebo-hilft-es-banken-durch-die-krise-wenn-sie-ihre-verluste-nicht-mehr-bilanzieren-muessen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/de\/wirksame-therapie-oder-placebo-hilft-es-banken-durch-die-krise-wenn-sie-ihre-verluste-nicht-mehr-bilanzieren-muessen\/","title":{"rendered":"Wirksame Therapie oder Placebo: Hilft es Banken durch die Krise, wenn sie ihre Verluste nicht mehr bilanzieren m\u00fcssen?"},"content":{"rendered":"
Eingriffe in die Bilanzierungsregeln, die es Banken erlauben, ihre Verluste nicht mehr anzusetzen, sind weltweit in der Krise ein g\u00e4ngiger Politikansatz von Regulierern. Auch w\u00e4hrend der COVID-19-Pandemie setzten die US-Regierung und die europ\u00e4ische Zentralbank auf eine Lockerung von Bilanzierungsvorschriften, um das Eigenkapital der Banken buchhalterisch zu erh\u00f6hen und damit zur Finanzmarktstabilit\u00e4t beizutragen. Doch die Wirkung dieser Ma\u00dfnahmen ist alles andere als offensichtlich, ja oft umstritten. Ist die Aufweichung von Bilanzierungsstandards wirklich ein probates Mittel, um Banken durch die Krise zu helfen? Jannis Bischof, Ulf Br\u00fcggemann und Holger Daske sind dieser Frage nachgegangen. In ihrer j\u00fcngst ver\u00f6ffentlichten Studie untersuchen sie die Aussetzung der Fair Value-Bewertung w\u00e4hrend der Finanzkrise 2008 und ziehen Schl\u00fcsse f\u00fcr aktuelle und k\u00fcnftige Finanzkrisen.<\/span><\/p>\n Sp\u00e4testens im September 2008 war klar: Aus der amerikanischen Hypothekenkrise war eine weltweite Banken- und Finanzkrise geworden. Die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers wurde zum Sinnbild f\u00fcr eine folgenschwere Entwicklung: Viele Banken hatten empfindliche Verluste erlitten, die ihr Eigenkapital aufgezehrt und sie an den Rand der Insolvenz gebracht hatten. Die Finanzmarkstabilit\u00e4t war in Gefahr, eine erhebliche Rezession der Weltwirtschaft drohte. Regierungen und Aufsichtsbeh\u00f6rden griffen daraufhin direkt in das Marktgeschehen ein \u2013 mit direkten Kapital- und Liquidit\u00e4tsspritzen, Garantien f\u00fcr Spareinlagen und dem Kauf von notleidenden Verm\u00f6genswerten der Banken.<\/p>\n Im Oktober 2008, auf dem H\u00f6hepunkt der Rettungsbem\u00fchungen, kam ein weiterer Therapieansatz f\u00fcr die krankende Finanzbranche hinzu. Das International Accounting Standards Board (IASB) weichte auf massiven politischen Druck die Bilanzierungsregeln auf, indem es Banken die Option einr\u00e4umte, finanzielle Verm\u00f6genswerte nicht mehr zum aktuellen Zeitwert (Fair Value) bewerten zu m\u00fcssen. Beim Fair Value m\u00fcssen Banken ihre Verm\u00f6genswerte und Schulden nach den aktuellen Marktpreisen bewerten \u2013 und somit alle Gewinne und Verluste sofort in der Erfolgsrechnung (und damit im Eigenkapital) erfassen. Was urspr\u00fcnglich eingef\u00fchrt wurde, um mehr Transparenz zu schaffen, hat in Krisenzeiten zur Folge, dass die rapide fallenden Preise der Aktiva unmittelbar zum Ausweis hoher Verluste verpflichten. Die Option, bestimmte Verm\u00f6genswerte so umzuklassifizieren, dass die Fair-Value-Bewertung ausgesetzt werden konnte, erlaubte es Banken, die Erfassung solcher Verluste zu vermeiden, die ihr Eigenkapital besonders drastisch reduziert h\u00e4tten.<\/p>\n Gegen\u00fcber Kapitalzuf\u00fchrungen und Ver\u00e4u\u00dferungen von Aktiva hat diese Form der Rekapitalisierung vor allem zwei Vorteile: Das Eigenkapital der Banken kann direkt erh\u00f6ht werden, ohne dass Transaktionskosten entstehen. Au\u00dferdem wird verhindert, dass Kontrollrechte an neue Anteilseigner oder staatliche Stellen \u00fcbergeben werden m\u00fcssen und die Position der Aktion\u00e4re verw\u00e4ssert wird. Doch eine Lockerung von Bilanzierungsregeln, die den Ausweis bilanzieller Verluste verhindert, hat gleichzeitig entscheidende Schw\u00e4chen.<\/p>\n Erstens f\u00fchrt die Umklassifizierung von Verm\u00f6genswerten zu geringerer Transparenz \u2013 denn der Verlustausweis bildet ja lediglich das tats\u00e4chliche Marktgeschehen ab und legt damit die Risikoposition einer Bank offen. Nutzen Manager diese Bilanzierungsoption aus, f\u00fchrt dies mithin regelm\u00e4\u00dfig zu negativen Marktreaktionen. Denn die Aussetzung der Fair-Value-Bewertung ist eben ein plausibles Zeichen daf\u00fcr, dass Bankmanager mit k\u00fcnftigen Verlusten rechnen.<\/p>\nTherapieansatz mit umstrittener Wirkung<\/strong><\/h3>\n