{"id":22757,"date":"2025-04-30T10:48:28","date_gmt":"2025-04-30T08:48:28","guid":{"rendered":"https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/?p=22757"},"modified":"2025-04-30T12:44:13","modified_gmt":"2025-04-30T10:44:13","slug":"nachhaltigkeitsberichterstattung-wird-fluegge","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/de\/nachhaltigkeitsberichterstattung-wird-fluegge\/","title":{"rendered":"Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird fl\u00fcgge: Von der freiwilligen PR-Ma\u00dfnahme hin zu einer verbindlich pr\u00fcfbaren Offenlegungspflicht"},"content":{"rendered":"
Die 2023 eingef\u00fchrte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), eine EU-Richtline zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, verpflichtet europ\u00e4ische Unternehmen seit 2025 gem\u00e4\u00df den European Sustainability Standards (ESRS) zu berichten. Ziel der CSRD ist es die Qualit\u00e4t, Vergleichbarkeit und Verl\u00e4sslichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern und Unternehmen dazu zu verpflichten, \u00f6kologische und soziale Auswirkungen ihres Handelns offenzulegen. <\/em>Seit ihrer Einf\u00fchrung gab es jedoch auch Kritik hinsichtlich ihrer Umsetzung. Als Reaktion darauf hat die EU-Kommission Ende 2024 mit der sogenannten \u201eOmnibus\u201c-Initiative umfangreiche Entlastungen von den Berichtspflichten angek\u00fcndigt. <\/em><\/p>\n Doch wie hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die neuen Vorgaben ver\u00e4ndert? Sind Unternehmen transparenter geworden? Gibt es Unterschiede zwischen den Dax40- und den EuroStoxx 50-Unternehmen? Und welche Weiterentwicklungen sind noch erforderlich, um die Umsetzung zu verbessern?<\/p>\n Eine neue Studie des Sustainability Reporting Navigator, einem Teilprojekt des TRR 266 „Accounting for Transparency“, geht genau diesen Fragen nach. Die Forschenden haben die 2024er Nachhaltigkeitsberichte der DAX40- und der EuroStoxx 50-Unternehmen (nach CSRD) analysiert und mit den Berichten von 2023 (nach NFRD) verglichen. Untersucht wurde anhand von ausgew\u00e4hlten Indikatoren in Bezug auf Umfang, Qualit\u00e4t und Transparenzniveau.<\/p>\n Die ersten CSRD-konformen Berichte zeigen deutlich: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist reifer geworden. Der Fokus verschiebt sich von imagegetriebener Kommunikation hin zu einer strukturierten und faktenbasierten Darstellung. Im Durchschnitt sind die Berichte l\u00e4nger, analytischer und weniger werblich. Doch auch wenn der Fortschritt sichtbar ist, bleibt die Qualit\u00e4t uneinheitlich. Der Weg in Richtung Vergleichbarkeit ist eingeschlagen \u2013 aber das Ziel ist noch nicht erreicht.<\/p>\n Die Studie der Forschenden Katharina Hombach (Goethe Universit\u00e4t Frankfurt), Maximilian M\u00fcller (Universit\u00e4t zu K\u00f6ln) und Thorsten Sellhorn (LMU M\u00fcnchen) liefert sechs zentrale Erkenntnisse:<\/p>\n <\/p>\n Durch die Einf\u00fchrung der ESRS ist im DAX40 die Informationsmenge deutlich gestiegen: Der durchschnittliche Berichtsumfang w\u00e4chst gegen\u00fcber 2023 um 15 % auf etwa 130 Seiten, der reine Textumfang sogar um 33 %. Gleichzeitig zeigen sich gro\u00dfe Unterschiede. Unternehmen, die 2023 eher kurz berichteten, ver\u00f6ffentlichten f\u00fcr 2024 deutlich l\u00e4ngere Berichte und verzeichneten so die gr\u00f6\u00dften Zuw\u00e4chse im Berichtsumfang. Einige gro\u00dfe Konzerne wie Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Sartorius oder Mercedes-Benz haben f\u00fcr 2024 im Vergleich dazu deutlich k\u00fcrzere Berichte als im Vorjahr ver\u00f6ffentlicht. Der Grund: Die Berichterstattung wurde von einem eigenst\u00e4ndigen Nachhaltigkeitsbericht in den Lagebericht integriert \u2013 mit entsprechend schlankerer Form.<\/p>\n Die zehn ESRS-Standards decken die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensf\u00fchrung ab. Die Forschungsergebnisse zeigen: Unternehmen, die bisher kaum \u00fcber Nachhaltigkeit berichteten, haben sich deutlich an die neuen Standards angepasst. Die am h\u00e4ufigsten erw\u00e4hnten Themen nach ESRS: Klimawandel (E1), eigene Mitarbeitende (S1) und Unternehmensf\u00fchrung (G1). Trotz hoher Relevanz in globalen Lieferketten finden soziale Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften (S3) relativ wenig Beachtung in der Berichterstattung. Im Durchschnitt steigt das Informationsangebot f\u00fcr alle zehn ESRS-Standards an – jedoch unterschiedlich stark und von unterschiedlich hohen Ausgangsniveaus.<\/p>\n Ob und wie Unternehmen \u00fcber ESG-Themen berichten, h\u00e4ngt stark von der sogenannten Wesentlichkeitsanalyse ab, also die individuelle Einsch\u00e4tzung der Unternehmen, welche Themen sie als finanziell bedeutsam oder gesellschaftlich relevant einsch\u00e4tzen. Die neue Art der Berichterstattung f\u00fchrt zwar dazu, dass Berichte insgesamt besser vergleichbar und objektiver werden, z. B. durch den Einsatz quantitativer Schwellenwerte zur Bewertung, wann Sachverhalte als wesentlich einzustufen sind. Doch es bleiben weiterhin Unterschiede bestehen. Die Konsequenz: Selbst innerhalb einer Branche unterscheiden sich die Berichte deutlich, da Unternehmen derselben Branche teils unterschiedliche Themen als wesentlich bewerten. Hier liegt ein Hebel f\u00fcr die anstehenden Omnibus-Reformen: Eine standardisierte Methodik mit verpflichtender Offenlegung w\u00fcrden die Vergleichbarkeit verbessern und das Vertrauen st\u00e4rken.<\/p>\n <\/p>\n Viele Unternehmen nutzen die Erleichterungswahlrechte: Angaben, die im ersten Anwendungsjahr (2024) noch nicht verpflichtend sind. Einige Unternehmen stellen diese Daten trotzdem bereit, z. B. Wertsch\u00f6pfungskettendaten oder Vorjahresvergleiche. Bei anderen Themen wie den erwarteteten finanziellen Auswirkungen von Umweltthemen wird von dem Wahlrecht umfassend Gebrauch gemacht und keine Daten angegegeben.\u00a0 Etwa jedes f\u00fcnfte Unternehmen l\u00e4sst (zumindest ausgew\u00e4hlte Kennzahlen) schon mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) pr\u00fcfen.<\/p>\n \u00a0<\/strong><\/p>\n Die 2024er-Berichte verdeutlichen, dass zunehmend standardisierter Begrifflichkeiten und weniger bunter Bilder verwendet werden. Die Berichte sind meist klar entlang der ESRS-Vorgaben strukturiert und enthalten zahlreiche Datentabellen. Statt einer werbenden Marketingbrosch\u00fcre mit gezielt ausgew\u00e4hlten Informationen zeigt sich nun eher ein Compliance-Dokument: Der Ton wird sachlicher, die Sprache wird standardisierter, technischer und komplexer, die Zielgruppe wird augenscheinlich professioneller. W\u00e4hrend fr\u00fchere Berichte oft einseitig positive Darstellungen enthielten, sind die neuen Reports differenzierter und analytischer. Das ist keine Schw\u00e4che, sondern ein Reifeprozess: Nachhaltigkeitsberichterstattung wird transparenter und glaubw\u00fcrdiger.<\/p>\n Die Nachhaltigkeitsberichterstattung n\u00e4hert sich damit qualitativ der Finanzberichterstattung an und \u00fcbersteigt diese im Umfang sogar bei den meisten Unternehmen.<\/p>\n <\/p>\n Die Nachhaltigkeitsberichterstattung im DAX40 deckt thematisch \u00e4hnlich viele Bereiche ab wie die gro\u00dfer europ\u00e4ischer Unternehmen. Im Vergleich fallen jedoch zwei Besonderheiten auf: Zum einen setzen viele DAX-Unternehmen gezielt auf Qualit\u00e4tssignale. Sie lassen beispielsweise h\u00e4ufiger einzelne Kennzahlen mit reasonable assurance<\/em> pr\u00fcfen oder binden detailliertere Informationen entlang der Wertsch\u00f6pfungskette ein. Zum anderen nutzen sie verst\u00e4rkt die Gestaltungsspielr\u00e4ume der Berichte. Das verringert zwar den Aufwand bei der erstmaligen Berichterstellung, geht aber zulasten der Transparenz, etwa durch h\u00e4ufigere Querverweise auf andere Dokumente, weniger Vergleichszahlen zum Vorjahr oder zur\u00fcckhaltende Angaben bei sensiblen Themen. Auch \u00dcbergangsregelungen f\u00fcr bestimmte Daten werden h\u00e4ufiger in Anspruch genommen. Auff\u00e4llig ist zudem, dass Themen wie betroffene Gemeinschaften sowie Verbraucher und Endnutzer im DAX seltener als wesentlich eingestuft werden. Insgesamt zeigt sich ein eher vorsichtiger Umsetzungsstil: Es gibt erkennbare Bem\u00fchungen um Qualit\u00e4t, aber die Tiefe ist oft selektiv.<\/p>\n <\/p>\n Trotz der laufenden Omnibus-Debatte, die weitreichende \u00c4nderungen der CSRD vorsieht, nutzt die Mehrheit der DAX40-Unternehmen die ESRS in ihrer Berichterstattung. Es ist zu erwarten, dass gro\u00dfe, kapitalmarktorientierte Unternehmen auch k\u00fcnftig in diesem Umfang berichten werden und so nicht wesentlich unter das mit den ESRS gesetzte neue Transparenzniveau zur\u00fcckfallen werden.<\/p>\n Eine tragf\u00e4hige Weiterentwicklung der Berichterstattung erfordert Standards, die konsistente Leitlinien bieten, ohne durch unn\u00f6tige Komplexit\u00e4t oder vermeidbare Ermessensspielr\u00e4ume an Wirkung zu verlieren. Es braucht verl\u00e4ssliche Pr\u00fcfmechanismen und eine konsequente Aufsicht, um das Vertrauen in das System zu sichern.<\/p>\n Die Qualit\u00e4t der ESG-Berichterstattung wird ma\u00dfgeblich durch die Unternehmen selbst bestimmt. Zentraler Hebel ist dabei die Wesentlichkeitsanalyse, mit der Unternehmen den inhaltlichen Rahmen ihrer Berichterstattung eigenverantwortlich definieren. Entscheidend ist dabei, wie transparent Prozesse offengelegt werden, beispielsweise inwieweit \u00a0unterschiedliche Stakeholder-Perspektiven ber\u00fccksichtigt wurden. Ein sorgf\u00e4ltig dokumentiertes, nachvollziehbares Vorgehen im Einklang mit Wortlaut und Geist der ESRS st\u00e4rkt das Vertrauen, dass auch unbequeme Themen adressiert werden und nicht allein die Au\u00dfendarstellung im Vordergrund steht. Sind die wesentlichen ESG-Aspekte identifiziert, unterst\u00fctzen eine klare Struktur sowie (bislang freiwillig) bereitgestellte, maschinenlesbare Datens\u00e4tze die Auswertung durch Nutzerinnen und Nutzer. Denn bis automatisierte Systeme in der Lage sind, konventionelle PDF-Berichte vollst\u00e4ndig und treffsicher zu analysieren, wird es noch dauern.<\/p>\n Insgesamt wird deutlich: Nachhaltigkeitsberichterstattung hat sich vom freiwilligen Kommunikationsinstrument zu einer verbindlichen, pr\u00fcfbaren Offenlegungspflicht gewandelt. ESG-Informationen m\u00fcssen genauso sorgf\u00e4ltig, systematisch und nachvollziehbar aufbereitet werden wie Finanzkennzahlen. Unternehmen sollten sich der Tragweite dieses Wandels bewusst sein. Sonst sind sie nicht nur regulatorischen Risiken ausgesetzt, sondern gef\u00e4hrden auch die ihre eigene Glaubw\u00fcrdigkeit im Verh\u00e4ltnis zu Investoren und anderen zentralen Stakeholdern.<\/p>\n Tiefergehende Analysen und thematische Deep Dives sind in Vorbereitung und werden in den n\u00e4chsten Wochen unter <\/em>www.sustainabilityreportingnavigator.com<\/a><\/u> ver\u00f6ffentlicht werden.<\/em><\/p>\n Zugang zur aktuellen Studie und allen bisher ver\u00f6ffentlichten CSRD-Berichten mit kuratierten Analysen\u00a0finden Interessierte ebenfalls unter www.sustainabilityreportingnavigator.com<\/a><\/u>.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Die 2023 eingef\u00fchrte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), eine EU-Richtline zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, verpflichtet europ\u00e4ische Unternehmen seit 2025 gem\u00e4\u00df den European Sustainability Standards (ESRS) zu berichten. 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Mehr Umfang, aber gro\u00dfe Unterschiede zwischen den Unternehmen<\/h3>\n<\/li>\n<\/ol>\n
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Auch die Ausgewogenheit und Tiefe der Berichte steigen.<\/h3>\n<\/li>\n<\/ol>\n
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Wesentlichkeit entscheidet \u2013 und bleibt eine Black Box.<\/strong><\/h3>\n<\/li>\n<\/ol>\n
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Auch bei freiwilligen Mehrangaben gibt es Variation.<\/h3>\n<\/li>\n<\/ol>\n
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Nachhaltigkeitsberichte gleichen sich Finanzberichten an.<\/h3>\n<\/li>\n<\/ol>\n
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Die Berichterstattung der DAX-Unternehmen \u00e4hnelt der ihrer europ\u00e4ischen Wettbewerber \u2013 mit Ausnahme ausgew\u00e4hlter Gestaltungsspielr\u00e4ume.<\/h3>\n<\/li>\n<\/ol>\n
Fazit: Eine gro\u00dfe Mehrheit der DAX40-Konzerne wendet ESG-Berichterstattung an – trotz fehlender Umsetzung der CSRD in Deutschland<\/h2>\n
Ausblick: Weiterentwicklung notwendig<\/h2>\n
Eine transparentere Wesentlichkeitsanalyse<\/h3>\n