April 2020: Prof. Dr. Ulf Brüggemann

Ulf Brüggemann, Juniorprofessor für Rechnungswesen an der HU Berlin, ist Teilprojektleiter im Projekt A01 “Determinants of Mandatory Disclosure”. In seinem Projekt untersucht er, wie verbindliche finanzielle Offenlegungspflichten von Land zu Land und im Laufe der Zeit variieren. Er ist außerdem einer der Organisatoren des Berlin Accounting Workshops.

 

Accounting: Komplexität bewältigen

Forschung hat mich schon immer fasziniert, vielleicht, weil ich gerne im vermeintlich undurchdringlichen Chaos systematische Muster aufspüre. Aus meiner Sicht macht genau das Accounting aus. Unternehmen führen viele und vor allem viele unterschiedliche Transaktionen durch. Dabei entsteht ein Durcheinander von komplexen Informationen. Diese Komplexität muss organisiert und durch klare Strukturen verständlich gemacht werden – eine einschüchternde, aber letztlich ebenso bereichernde Aufgabe (zumindest für mich).

 

 “Determinants of Mandatory Disclosure”

Neugierde ist ein entscheidender Faktor für meine Forschung. Sollte sie jemals versiegen, müsste ich mich eventuell nach einem anderen Beruf umsehen. Glücklicherweise gibt es keinen Mangel an spannenden Fragen, die ich gerne lösen möchte. Derzeit konzentriert sich meine Forschung auf die bestimmenden Faktoren von verbindlichen Offenlegungspflichten (“Determinants of Mandatory Disclosure”), die ich in meinem Projekt A01 untersuche. Wenn man die Offenlegungsvorschriften von Unternehmen vergleicht, sieht man beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, bestimmten Unternehmenstypen und im Zeitverlauf. Wir möchten das Wesen dieser Unterschiede verstehen: Warum existieren sie überhaupt? Was (oder wer) verursacht sie? Letztlich hoffen wir, aus unseren Erkenntnissen konkrete Empfehlungen für Regulierungsbehörden ableiten zu können.

Wenn man die Offenlegungsvorschriften von Unternehmen vergleicht, sieht man beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, bestimmten Unternehmenstypen und im Zeitverlauf.

 

TRR 266: Das Netzwerk ist entscheidend

In A01 bauen wir einen umfassenden Datensatz zu aktuellen und vergangenen Regulierungen auf, der Einzelheiten zu den unterschiedlichen Offenlegungsregelungen im Ländervergleich und innerhalb der einzelnen Länder enthält. Ich freue mich sehr, dass mich ein internationales Team aus Deutschland, Venezuela, Myanmar und Canada bei der Bewältigung dieser besonderen Herausforderung unterstützt. Die vielfältigen Hintergründe und Sprachkenntnisse unserer Teammitglieder sind in dieser Hinsicht besonders hilfreich. Immerhin benötigt man lokale Expertise, um lokale Daten richtig interpretieren zu können. Außerdem profitieren wir von anderen TRR 266 Mitgliedern, die uns mit wertvollen Kontakten aus ihren internationalen Netzwerken unterstützen.

 

TRR 266: Sprechen wir über Open Science

Diese Netzwerkidee ist eine der Besonderheiten des TRR 266. Wir pflegen einen breiten fachlichen und länderübergreifenden Austausch – sowohl innerhalb der einzelnen Projekte als auch über das gesamte Forschungsprogramm hinweg. Sobald wir eine erste Version unseres A01-Datensatzes vorbereitet haben, werden wir ihn den anderen TRR 266-Mitgliedern vorstellen, um ein umfassendes Feedback zu erhalten. Das erhöht die Qualität unserer Forschung immens. Die anderen TRR 266-Mitglieder wiederum können unsere Daten für ihre Projekte nutzen.

Open Science ist für uns als zentrales Instrument der Qualitätssicherung wichtig.

Wir möchten die Forschung des TRR 266 zudem der Öffentlichkeit frei zugänglich machen. Open Science ist für uns als zentrales Instrument der Qualitätssicherung wichtig. Wer schon einmal versucht hat, eine wissenschaftliche Studie zu replizieren, weiß, wie wichtig dieser Ansatz ist. Denn Studien enthalten in der Regel viele miteinander verbundene und oft sehr subtile Entscheidungen über das Forschungsdesign. Wenn die Details dieser Entscheidungen nicht dokumentiert sind, wird die Replikation zu einer fast unlösbaren Aufgabe. Unser Ansatz besteht darin, die Wahl des Forschungsdesigns für jeden offenzulegen. Auf diese Weise wollen wir eine bewährte Praxis etablieren und andere Forscher ermutigen, diesem Beispiel zu folgen.

 

Berlin Accounting Workshop: Forschung sezieren

Wir organisieren verschiedene Netzwerkveranstaltungen, um den Austausch sowohl mit Forschern als auch mit Praktikern aus der ganzen Welt zu fördern. Eine dieser Veranstaltungen ist der Berlin Accounting Workshop, den wir – HU Berlin, ESMT Berlin, ESCP Europe, FU Berlin, TU Berlin und die Universität Potsdam – 2016 ins Leben gerufen haben. Seit 2019 läuft der Workshop unter der Flagge des TRR 266 und legt einen klaren Fokus auf Unternehmenstransparenz. Das Workshop-Format fördert lebhafte Diskussionen und passt damit hervorragend zum Geist des TRR 266. Kurioserweise fand ein Teil des Workshops in einem ehemaligen tieranatomischen Theater an der HU Berlin statt. Egal ob das Sezieren von Tieren oder die sezierende Auseinandersetzung mit Accounting-Forschung – dieser Ort hat alles gesehen!

Ich sehe es als unsere Pflicht, Einblicke in die reale Welt zu gewähren, die helfen, die komplexen Prozesse, auf denen unsere Gesellschaft fußt, zu verstehen und vielleicht sogar zu verbessern.

 

Einen Beitrag leisten: Jenseits des Elfenbeinturms

Es ist mir wichtig, Forschung zu betreiben, die nicht im Elfenbeinturm verharrt. Ich sehe es als unsere Pflicht, Einblicke in die reale Welt zu gewähren, die helfen, die komplexen Prozesse, auf denen unsere Gesellschaft fußt, zu verstehen und vielleicht sogar zu verbessern. Das bedeutet natürlich auch, dass wir in der Lage sein müssen, unsere Forschung zu erklären – vor allem Menschen, die keine Vorkenntnisse haben. Der TRR 266 trägt entscheidend dazu bei, dass wir dieser gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Sein Fokus auf Transparenz, seine Formate für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und seine lebendige Atmosphäre bieten das ideale Umfeld, um ein breiteres Publikum zu erreichen. In A01 erwarten wir die ersten Ergebnisse noch vor Ende des Jahres. Bleiben Sie gespannt!

 

 

Die im Beitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Forschenden wieder und entsprechen nicht grundsätzlich der Meinung des TRR 266. Als Wissenschaftsverbund ist der TRR 266 sowohl der Meinungsfreiheit als auch der politischen Neutralität verpflichtet.  

Ulf Brüggemann im Interview:

Forscher des Monats März

Beteiligte Institutionen

Die Hauptstandorte vom TRR 266 sind die Universität Paderborn (Sprecherhochschule), die HU Berlin und die Universität Mannheim. Alle drei Standorte sind seit vielen Jahren Zentren für Rechnungswesen- und Steuerforschung. Hinzu kommen Wissenschaftler der LMU München, der Frankfurt School of Finance and Management, der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover, die die gleiche Forschungsagenda verfolgen.

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