Der Balanceakt zwischen verpflichtender und freiwilliger Offenlegung

TRR 266 Forscher untersuchten, wie sich die Durchsetzung auf die obligatorische und freiwillige Offenlegung auswirkt.

Wie Durchsetzung die Offenlegungsstrategien von Unternehmen beeinflusst

Die freiwillige Bekanntgabe positiver Informationen (z. B. gute Finanzergebnisse oder Nachhaltigkeitsinitiativen) an Stakeholder wie Investoren, Verbraucher und die Öffentlichkeit kann sich für Unternehmen als vorteilhaft erweisen und helfen, Vertrauen aufzubauen und das Geschäft anzukurbeln. Unvorteilhafte Informationen werden jedoch in der Regel viel zögerlicher veröffentlicht, da sie sich nachteilig auf den Ruf des Unternehmens oder das Vertrauen der Stakeholder in das Unternehmens auswirken können. Ob relevante Informationen an Stakeholder weitergegeben werden, hängt also weitgehend von einer wirksamen Durchsetzung der Offenlegungsvorschriften ab. Die TRR 266 Forschenden Dirk Simons (Universität Mannheim) und Benedikt Franke (Universität Würzburg) haben ein theoretisches Modell entwickelt, das die Auswirkungen der Durchsetzung auf das Offenlegungsverhalten von Unternehmen analysiert. Ihre Erkenntnisse geben Regulierungsbehörden wichtige Einblicke, um Durchsetzungsregelungen anzupassen.

 

Die Durchsetzung von Offenlegungsvorschriften beeinflusst, wie Unternehmen Informationen veröffentlichen, und berücksichtigt dabei die möglichen Reaktionen der Stakeholder. Häufig wird unterstellt, dass ohne eine ausreichende Durchsetzung von Offenlegungsvorschriften einige Unternehmen keine relevanten Informationen offenlegen würden. Die massiven Geldstrafen, die die Securities and Exchange Commission (SEC) für die Nichteinhaltung entsprechender Vorschriften verhängte, verdeutlichen dies. Im jährlichen Durchschnitt verlangte die SEC zwischen 2015 und 2019 in 822 Durchsetzungsmaßnahmen Rückzahlungen in Höhe von 2,908 Milliarden US-Dollar und verhängte Strafen in Höhe von 1,164 Milliarden US-Dollar. Paradoxerweise könnte jedoch eine zu starke Durchsetzung die freiwillige Weitergabe von Informationen durch Unternehmen hemmen. Wann also teilen Unternehmen freiwillig Informationen, und wie beeinflusst die Durchsetzung von Offenlegungsvorschriften ihre Publizitätsstrategien?

 

Welche Unternehmen legen freiwillig offen?

Für Unternehmen von hoher Qualität ist die freiwillige Offenlegung ein probates Instrument, um sich von Unternehmen geringerer Qualität abzugrenzen. Wenn man annimmt, dass keine Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen besteht, werden nur diejenigen Unternehmen, die über positive Informationen verfügen, offenlegen. Dieser plausibel anmutende Zusammenhang gilt aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Relevant ist beispielsweise, dass es keine Offenlegungskosten gibt und die Reaktionen von Stakeholdern perfekt vorhergesagt werden können. Derartige Annahmen treffen allerdings nicht immer zu.

 

So existieren zum Beispiel Theorien, die unterstellen, dass nicht alle Unternehmen über relevante Informationen verfügen, die sie offenlegen könnten. Dadurch entsteht eine Gruppe von Unternehmen, die aus rationalen Überlegungen mit einem Durchschnittswert bepreist werden. Dies bietet einen Anreiz für Unternehmen geringer Qualität, bewusst zu schweigen: Investoren können somit nicht zwischen schlechten Unternehmen, die absichtlich schweigen, und solchen, die keine Informationen zu veröffentlichen haben, unterscheiden. Dieses Trittbrett-Fahren bildet die Argumentationsgrundlage für eine verpflichtende Offenlegung. Hierbei folgen Regeln häufig einem konservativen Ansatz, indem sie insbesondere für Unternehmen von geringer Qualität, die – wie gesehen — freiwillig nicht genügend Informationen offenlegen würden, zur Publikation zwingen.

 

Offenlegungszwang – der Game Changer?

Die Durchsetzung der Offenlegungsvorschriften spielt eine entscheidende Rolle beim Offenlegungsverhaltens von Unternehmen. Um die verschiedenen Auswirkungen auf freiwillige und pflichtgemäße Offenlegungsstrategien zu erforschen, gehen wir von folgenden Szenerien aus:

 

1) Offenlegung und Enforcement

Wir starten mit folgender Offenlegungsregel, die zu illustrativen Zwecken direkt am Unternehmenswert ansetzt: Ein Unternehmen, das über ungünstige Informationen über den eigenen Unternehmenswert verfügt und einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet, muss diesen Wert gesetzlich verpflichtend offenlegen. Ein Unternehmen mit einer positiven Information oberhalb des Schwellenwertes ist hingegen nicht zur Offenlegung verpflichtet, kann dies aber freiwillig tun. Was passiert, wenn wir annehmen, dass manche Unternehmen gegen die Regel verstoßen und trotz einer Unterschreitung des Schwellenwertes schweigen? Sofern der Regelverstoß des Unternehmens entdeckt wird, muss es eine Strafe zahlen, die proportional zu seinem Fehlverhalten ausgestaltet ist. Außerdem muss es seine Offenlegung nachholen.

In unserer Studie gehen wir davon aus, dass nicht-regelkonforme Unternehmen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erwischt werden. Dann ergeben sich am Markt folgende Offenlegungsstrategien: Unternehmen unterhalb eines bestimmten Qualitätsniveaus werden ihre wahre Situation entsprechend den Vorschriften offenlegen; sie sind compliant. Unternehmen mit weniger schlechter Qualität, die aber dennoch unter dem Schwellenwert für die Offenlegungspflicht liegen, entscheiden sich dafür, illegal zu schweigen und sich unter die Unternehmen mit besserer Qualität zu mischen, die ebenfalls keine Angaben machen (können). Für diese nicht-regelkonformen ist die Angst, erwischt und bestraft zu werden, nicht groß genug, um sie von ihrem Fehlverhalten abzuhalten. Die schwächeren Unternehmen oberhalb des Schwellenwertes verzichten ebenfalls auf eine Offenlegung, weil der daraus erzielbare Vorteil zu klein ist. Sie schweigen allerdings regelkonform. Die besten Unternehmen in unserem Modell entscheiden sich für eine freiwillige Offenlegung, was bedeutet, dass sie sich strategisch vom Restmarkt absetzen.

 

2) Stärkere Regeldurchsetzung und Strafen

Wenn die Regeldurchsetzung strenger – also die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, höher – ist und die Strafen schwerwiegender sind, sehen wir, dass sich das Offenlegungsverhalten der Unternehmen ändert. Mehr Unternehmen geringerer Qualität verhalten sich regelkonform und kommen ihrer Verpflichtung zur Offenlegung relevanter Informationen nach. Allerdings machen es strengere Regeln auch weniger attraktiv für Unternehmen hoher Qualität, Informationen freiwillig bereitzustellen. Im Ergebnis kann stärkeres Enforcement zu geringerer Transparenz führen.

 

Bedeutung für Regulierungsbehörden

Unser Modell hilft Regulierungsbehörden zu verstehen, wie Durchsetzungsanreize sowohl verpflichtende als auch freiwillige Offenlegungsentscheidungen von Unternehmen beeinflussen. Es deckt unbeabsichtigte Folgen auf, die bei der Neuausrichtung der Regulierung zu berücksichtigen sind. Wir zeigen, dass eine effektive Offenlegungsregulierung auf eine Regeldurchsetzung angewiesen ist, um sicherzustellen, dass Unternehmen ihren gesetzlich vorgeschriebenen Offenlegungspflichten nachkommen. Allerdings führt ein Offenlegungszwangs dazu, dass marktgetriebene Lösungen verdrängt werden. Da die Regeldurchsetzung Unternehmen geringer Qualität zur Offenlegung anregt, haben Unternehmen mit hoher Qualität weniger Anreize, sich durch freiwillige Offenlegung von ihnen zu differenzieren. Zusammenfassend machen unsere Ergebnisse deutlich, dass weitere Forschungsarbeiten erforderlich sind, um politische Entscheidungsträger bei der Abwägung der Offenlegungsanreize zu unterstützen. Besonders im Fokus sollte dabei die Balance zwischen zentralisierten Ansätzen der Durchsetzung und marktgetriebenen Ansätzen der freiwilligen Offenlegung stehen.

 

Zitation des Blogs:

Franke, B. & Simons, D. (2024, June 21). Der Balanceakt zwischen verpflichtender und freiwilliger Offenlegung, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/de/der-balanceakt-zwischen-verpflichtender-und-freiwilliger-offenlegung

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