Perfektes Trio oder Einzelkämpfer: Delegation von Entscheidungsrechten, Monitoring und Anreize in Hierarchien

Anreizvergütung, Monitoring und die Delegation von Entscheidungskompetenzen an Manager – diese drei Elemente zur Managementsteuerung gelten häufig als untrennbar miteinander verbunden. Vielfach werden sie als Komplemente verstanden. Die Annahme: Qualitativ hochwertige Leistungskennzahlen ermöglichen stärkere Anreize, stärkere Anreize wiederum sind unerlässlich, wenn Manager über eine weitreichende Entscheidungsbefugnis verfügen. Doch trifft das in jedem Fall zu? Agieren diese drei Steuerungselemente immer als Komplemente? Wie interagieren sie in Hierarchien? TRR 266-Forscher Christian Hofmann hat sich zusammen mit Raffi J. Indjejikian diesen Fragen gewidmet – und interessante empirische Implikationen herausgearbeitet.

 

Was passiert, wenn ein dreibeiniger Hocker eines seiner Beine verliert? Er wird instabil und hält geringeren Belastungen stand als zuvor. Einer ähnlichen Logik – so zumindest eine verbreitete Annahme – folgen diese drei Maßnahmen zur Management-Steuerung: Anreizvergütung, Monitoring und Entscheidungskompetenzen. Für eine optimale Unternehmensperformance müssen alle drei Maßnahmen aufeinander abgestimmt sein, so die Annahme. Verzichtet man auf eine von ihnen, sinkt die Unternehmensperformance. In der Wirtschafts- und Accounting-Literatur ist das Trio daher auch als dreibeiniger Hocker bekannt. Wir haben uns die drei Steuerungselemente einmal genauer angeschaut – und untersucht, wie sie direkt und indirekt miteinander interagieren: In welchen Situationen agieren sie als Komplemente – erhöhen also die Ergebnisbeiträge der jeweils anderen? Und unter welchen Umständen agieren sie als Substitute – und tragen somit einzeln erfolgreicher zu einer besseren Performance des Unternehmens bei, als sie dies als Duo oder Trio könnten?


Was ist Komplementarität?

Anders als vorherige Studien haben wir die drei Elemente nicht nur paarweise in den Blick genommen, sondern auch in ihrer Dreierbeziehung. Komplementarität definieren wir dabei folgendermaßen:

1) Zwei Steuerungsmaßnahmen gelten für uns dann als komplementär, wenn ihre komparative Statik in Bezug auf eine exogene Variable das gleiche Vorzeichen hat. Wenn also die Entscheidung, eine Steuerungsmaßnahme zu erhöhen, den Ergebnisbeitrag der anderen Maßnahme steigert.

2) Komplementarität zwischen allen drei Maßnahmen besteht für uns, wenn jede Umweltveränderung, die den Ertrag einer Maßnahme erhöht, die anderen in immer der gleichen Weise reagieren lässt (mit einer Erhöhung oder Senkung ihres Ertrages). Wenn die Maßnahmen also ein kohärentes Muster bilden. Zum Beispiel: starke Leistungsanreize, weitreichende Entscheidungsrechte und niedrige Monitoring-Qualität.


Unser Modell

Um zu klären, unter welchen Bedingungen die drei Elemente als Komplemente oder Substitute agieren, haben wir ein hierarchisches Prinzipal-Agenten-Modell zugrunde gelegt. Das Modell besteht aus drei Akteuren, dem Eigentümer (Prinzipal), dem Manager (Agent) und einer beliebigen Anzahl von Mitarbeitern (Agenten). Die wichtigsten Merkmale dieses Modells werde ich Ihnen am Beispiel eines Einzelhandelsunternehmens erläutern. Der Eigentümer des Unternehmens stellt einige Verkäufer selbst ein – und beschäftigt zusätzlich einen Verkaufsleiter, an den er einen Teil seiner Entscheidungsrechte delegiert. Der Verkaufsleiter stellt somit seinerseits Verkäufer ein, die ihm direkt unterstellt sind. In dem Modell trifft der Eigentümer drei miteinander verbundene Entscheidungen:

1) Delegation von Vertragsautorität:
Der Eigentümer entscheidet über die Vertragsautorität oder Leitungsspanne des Verkaufsleiters. Das bedeutet: Er entscheidet über die Anzahl der Mitarbeiter, die dem Manager unterstellt sind.
2) Monitoring:
Der Eigentümer investiert Ressourcen, um die Leistung des Verkaufsleiters zu überwachen.
3) Anreizvergütung:
Außerdem entwirft der Eigentümer Vergütungsverträge für alle Verkäufer, für die er die Vertragsautorität behält, und für den Verkaufsleiter. Der Vertrag des Managers koppelt dessen Vergütung an seine eigene Leistung und an die seiner Verkäufer. Damit stellt er sicher, dass der Verkaufsleiter ‚motiviert‘ ist seine Mitarbeiter zu Leistungen zu motivieren. Der Verkaufsleiter wiederum entwirft die Vergütungsverträge, für die ihm zugewiesenen Mitarbeiter.

 

Auf Grundlage des Modells haben wir einige wichtige direkte und indirekte Wechselwirkungen zwischen den Steuerungselementen aufgedeckt:


Mehr Leistung ohne intensive Überwachung

In der Literatur wird häufig angenommen, dass eine hohe Monitoring-Qualität hohe Leistungsanreize fördert. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass das nicht immer der Fall sein muss. Beispielsweise gilt dies nicht in hierarchischen Organisationen – wenn die Monitoring-Qualität als endogene Entscheidung betrachtet wird, also als Entscheidung, die bewusst vom Prinzipal getroffen wird. Leistungsanreize und Monitoring können in diesem Fall einander ersetzen, also als Supplemente agieren – während Leistungsanreize und Vertragsautorität einander ergänzen.

So hat ein Manager, der mit Vertragsautorität ausgestattet ist, einen impliziten Anreiz, einen höheren Arbeitseinsatz zu erbringen. Denn die Anreizvergütung seiner Mitarbeiter ist an seine eigene Performance gekoppelt. Entwickeln sich die Frühindikatoren für die Performance des Managers positiv, steigen auch die Vergütungserwartungen der Mitarbeiter – wodurch ihre regulären Gehaltsforderungen potenziell niedriger ausfallen. Die Aussicht auf Gehaltseinsparungen motiviert den Manager zu einem höheren Arbeitseinsatz. Implizite Anreize wiederum kompensieren explizite Anreize und reduzieren somit den Nutzen einer höheren Monitoring-Qualität.

Das bedeutet also, dass ein Manager in einer Hierarchie mehr Leistung erbringt, obwohl der Eigentümer den Manager weniger intensiv überwacht. Es ist also davon auszugehen, dass Unternehmen weniger Zeit und weniger Ressourcen für das Monitoring von Managern aufwenden, die mit Vertragsautorität ausgestattet sind, als für das Monitoring ansonsten vergleichbarer Manager. Da die Vertragsautorität in den meisten Organisationen bei ranghöheren Managern liegt, bedeutet dies, dass die Praktiken der Leistungsüberwachung in den unteren Managementebenen weit umfassender sind.


Komplementarität zwischen allen drei Elementen

Wir stellen insgesamt fest: Wenn alle drei Maßnahmen zur Managementsteuerung endogen bestimmt sind (also als bewusste Entscheidungen des Prinzipals), können sie paarweise als Komplemente oder Supplemente agieren. Zudem können wir bestimmte Situationen identifizieren, in denen die drei Maßnahmen zur Managementsteuerung ein kohärentes Muster bilden und somit auch in ihrer Dreierbeziehung als Komplement verstanden werden können. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Delegation der Vertragsautorität an den Manager sehr empfindlich auf Änderungen in den Fundamentaldaten des Unternehmens reagiert.

Betrachten wir das anhand eines Beispiels: der Entscheidung des Eigentümers, Vertragsautorität zu delegieren. Diese Entscheidung spiegelt eine Kosten-Nutzen-Abwägung wider. Der Eigentümer profitiert, indem er den Arbeitseinsatz des Managers aufgrund der impliziten Anreize, die mit der Vertragsautorität verbunden sind, erhöht. Potenzielle Kosten wiederum entstehen durch den Kontrollverlust des Eigentümers. Dieser Kontrollverlust manifestiert sich darin, dass Mitarbeiter, die dem Eigentümer nicht direkt unterstellt sind, weniger zur Profitabilität des Unternehmens beitragen als die direkt dem Eigentümer unterstellten Mitarbeiter.

Wenn nun die Anreizprobleme bei den rangniederen Mitarbeitern gering sind, sind auch die Kontrollverluste des Eigentümers gering. Die Entscheidung, wie viele Mitarbeiter dem Manager unterstellt werden, reagiert dann sehr empfindlich auf Änderungen in den Fundamentaldaten des Unternehmens – da der Kontrollverlust bei der Delegation von Vertragsautorität nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

In diesem Fall können Anreizvergütung und Vertragsautorität das Monitoring ersetzen, während sie sich gegenseitig ergänzen. Die Zusammenhänge zwischen den drei Variablen deuten auf ein kohärentes Muster aus starken Anreizen, weitreichenden Vertragsbefugnissen und geringer Überwachungsqualität hin.

Wenn das Anreizproblem der rangniederen Mitarbeiter allerdings groß ist, ist die Delegationsentscheidung eher unempfindlich gegenüber Veränderungen in den Fundamentaldaten des Unternehmens – und die drei Steuerungselemente können paarweise Komplemente oder Substitute sein. Ihre Konstellation variiert. Ein kohärentes Muster zwischen allen drei Elementen ist somit unwahrscheinlich.


Mehrwert für Unternehmen

Kohärente Muster von Kontrollmaßnahmen zu identifizieren ist wichtig, da solche Muster das Design der Managementsteuerung erheblich vereinfacht. Im Gegensatz dazu wird ein „Mix and Match“ von vermeintlichen „Best Practices“ wahrscheinlich nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen. Bei kohärenten Mustern kann es durchaus sein, dass die Änderung nur einer Steuerungsmaßnahme die Unternehmensperformance verschlechtert, während die Änderung aller Steuerungsmaßnahmen die Unternehmensperformance erheblich steigern würde. Um adäquat auf Änderungen in den Fundamentaldaten des Unternehmens zu reagieren, erfordert das Vorhandensein von kohärenten Mustern also eine umfassende „Kehrtwende“ – kleine, schrittweise Änderungen reichen nicht aus.

 

*In diesem Beitrag wird ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

 

 

Zitation dieses Blogs:

Hofmann, C. (2021, April 7). Perfektes Trio oder Einzelkämpfer: Delegation von Entscheidungsrechten, Monitoring und Anreize in Hierarchien, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/de/perfektes-trio-oder-einzelkaempfer-delegation-von-entscheidungsrechten-monitoring-und-anreize-in-hierarchien/

 

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