August 2021: Prof. Dr. Christian Hofmann

Christian Hofmann, Professor für Unternehmensrechnung und Controlling an der Ludwig-Maximilians-Universität München, leitet das TRR 266 Projekt B03 “Transparency Regulation and Organizational Design“. Im Projekt untersucht er, inwiefern verpflichtende Finanzberichterstattung Transparenz erzeugt – und welchen Einfluss diese Transparenz auf die Organisationsgestaltung in Unternehmen hat.

 

Accounting: auf der Höhe der Zeit

Forschung hat mich schon immer fasziniert. Ich erinnere mich noch gut an ein Experiment, das ich während meines Wirtschaftsingenieurstudiums durchgeführt habe. Damals habe ich in einem französischen Forschungsinstitut gearbeitet. In dem Experiment haben wir Probanden in einer Klimakammer Aufgaben gestellt, die sie am PC lösen mussten – und untersucht, welche Auswirkungen Temperaturschwankungen auf kognitive Fähigkeiten hat. Das war unheimlich spannend und hat meine Freude an der wissenschaftlichen Forschung geweckt. Das Interesse für die Accounting-Forschung hat sich mit der Zeit entwickelt. Das einzige Fach, das mir in dem ersten Semester meines Studiums Schwierigkeiten bereitete, war tatsächlich die Buchführung. Das hat mich angespornt: Ich habe mich sehr intensiv mit dem Fach auseinandergesetzt und es mir Stück für Stück erschlossen. Daraus habe ich schließlich ein allgemeines Interesse für Accounting entwickelt – und letztlich eine große Faszination für diesen Fachbereich. Besonders spannend finde ich, dass Accounting eine unheimlich lange Tradition hat, die sogar bis ins späte Mittelalter, an die Schwelle zur Neuzeit zurückreicht. Bis zu Luca Pacioli, der auch als Vater des Accounting bezeichnet wird. Trotz dieser langen Historie kommen immer wieder gänzlich neue, spannende Fragestellungen auf. Die Accounting-Forschung bleibt immer auf der Höhe der Zeit. Das finde ich faszinierend.

Transparenzforschung ist für ganz viele Lebensbereiche relevant und hat damit eine supergroße Hebelwirkung, um Effekte zu erzielen, die für uns alle wichtig sind.

TRR 266: einen Unterschied machen

Ich finde es extrem anregend mit Menschen zu forschen und zusammenzuarbeiten, die für ein Thema brennen. Und genau das begeistert mich am TRR 266. Hier arbeiten Menschen zusammen, die unglaublich engagiert und passioniert sind – und das auf allen Ebenen. Von den Professoren und Juniorprofessoren, über die Postdocs und Doktoranden bis hin zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kommunikation und Verwaltung. Das macht wirklich Spaß! Und es hilft dabei, relevante Forschung zu betreiben – in einem Forschungsfeld, mit dem man wirklich einen Unterschied machen kann. Transparenzforschung ist für ganz viele Lebensbereiche relevant und hat damit eine supergroße Hebelwirkung, um Effekte zu erzielen, die für uns alle wichtig sind. Nehmen wir zum Beispiel Untersuchungen zur effektiven Gestaltung von Offenlegungspflichten, die das nachhaltige Verhalte von Unternehmen transparent machen sollen. Solche Offenlegungspflichten haben natürlich vor allem in einem Marktkontext Bedeutung. Aber gleichzeitig haben sie eben auch Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter und der Konsumenten. Deren Entscheidungen wiederum wirken auf das Unternehmen und damit letztlich auch auf Umwelt und Gesellschaft zurück.

Kohärente Muster sind gerade für Entscheider in Unternehmen relevant.

Transparenz und Organisationsstrukturen

Im Projekt B03 beschäftigen wir uns ganz konkret mit der Frage, wie Transparenz Organisationsstrukturen beeinflusst und wie diese wiederum Transparenz beeinflussen. Der Beantwortung dieser Frage nähern wir uns über empirische und theoretische Ansätze. Auch thematisch sind wir breit aufgestellt. In einer unserer Studien untersuchen wir zum Beispiel den Einfluss von Religiosität auf Steuervermeidung und Bilanzpolitik. In einer anderen identifizieren wir kohärente Muster von Steuerungsmaßnahmen. Kohärente Muster sind gerade für Entscheider in Unternehmen relevant. Denn häufig haben Entscheider mit komplexen Entscheidungssituationen zu tun. Sie müssen meist viele unterschiedliche Teilentscheidungen treffen, die Wechselwirkungen unterliegen. Deshalb ist es im Unternehmensalltag häufig schwierig, für eine bestimmte Situation das richtige Setting zu wählen. Wenn wir kohärente Muster erkennen können, reduzieren wir diese Komplexität auf eben diese wenigen Muster. Wichtig dabei ist: Bei kohärenten Mustern kann es durchaus sein, dass die Änderung nur einer Steuerungsmaßnahme die Unternehmensperformance verschlechtert, während die Änderung aller Steuerungsmaßnahmen die Unternehmensperformance erheblich steigern würde. Das Vorhandensein von kohärenten Mustern erfordert also eine umfassende „Kehrtwende“ – graduelle Anpassungen einzelner Steuerungsmaßnahmen sind in dem Fall nicht zielführend.

Über die ungewöhnlich hohe Rücklaufquote haben wir uns sehr gefreut. Sie zeigt, wie relevant dieses Thema und wie hoch das Mitteilungsbedürfnis ist.

Corona-Krise: Wie haben sich Arbeitsabläufe und Managementkontrollsysteme verändert?

Eine unserer aktuellen Studien beschäftigt sich mit der Corona-Pandemie – und mit der Frage: Inwiefern zwingt die Corona-Krise Unternehmen dazu, ihr Managementkontrollsystem zu ändern? Dazu haben wir Befragungen in zwei lokalen Unternehmen durchgeführt. Über die ungewöhnlich hohe Rücklaufquote haben wir uns sehr gefreut. Sie zeigt, wie relevant dieses Thema und wie hoch das Mitteilungsbedürfnis ist. Eine Folgebefragung ist gegen Ende des Jahres geplant. Wir hoffen, auf diese Weise langfristige Effekte beobachten zu können. Erste Erkenntnisse können wir aber schon teilen. Wir beobachten beispielsweise, dass das „Onboarding“, also die Integration von neuen Mitarbeitern in das Unternehmen, schlechter funktioniert als vor Corona und dass eine Handlungssteuerung im Sinne von direkter Überwachung insgesamt abgenommen hat. Das ist nachvollziehbar, da die Mitarbeiter überwiegend im Home-Office gearbeitet haben und seltener vor Ort waren. Hinsichtlich der Ergebnissteuerung der Unternehmen hat sich wenig getan. Auch das ist nicht überraschend. Denn Boni und Vergütungssysteme lassen sich in der Regel nicht innerhalb kürzester Zeit ändern. Was Arbeitgeber besonders interessieren dürfte, sind die Veränderungen bei den Arbeitsabläufen. So ist die Zahl der Meetings zwar gestiegen, dafür werden die einzelnen Meetings aber kürzer und qualitativ besser. Zudem ist die Produktivität der Mitarbeiter gewachsen, der Krankenstand wiederum ist zurückgegangen.

Unser Modell legt nahe, dass es sinnvoll sein kann, die Leistungen der Manager nur individuell mit dem Vorgesetzten zu besprechen, wenn die Gruppe der Manager kleiner als fünf ist.

Public Score Board vs. Beurteilungsgespräche

In einer anderen Studie untersuchen wir, wie Transparenz in einem Unternehmen mit mehreren Hierarchieebenen für das untere und mittlere Management zu gestalten ist. Wir gehen der Frage nach, ob die Performance dieser Manager nur eine private Information zwischen dem Manager und seinem unmittelbaren Vorgesetzten oder ob diese Information auch für Kollegen und Kolleginnen zugänglich sein sollte. Beispielsweise in Form eines Public Score Boards, das die Performance der Mitarbeiter wie in einer Bundesligatabelle rankt. Bei unseren Untersuchungen geht es allerdings nicht um psychologische Effekte. Wir untersuchen im Rahmen eines Principal/Agent-Modells, welches die zweckmäßigste Ausgestaltung für Unternehmen ist – im Spannungsfeld zwischen Anreizkosten und moralischem Risiko. Unser Modell legt nahe, dass es sinnvoll sein kann, die Leistungen der Manager nur individuell mit dem Vorgesetzten zu besprechen, wenn die Gruppe der Manager kleiner als fünf ist. Wenn die Gruppe hingegen größer als sieben ist, dann ist es definitiv sinnvoll, ein Public Score Board zu verwenden.

Wir sollten jungen Menschen zeigen, wie spannend Forschung in der BWL sein kann.

Nachwuchs fördern: Spieltrieb und Neugier wecken

Gründlichkeit ist mir in allen Phasen meiner Forschung sehr wichtig. Gleichzeitig möchte ich aber natürlich auch, dass meine Forschung relevant ist, dass sie einen Beitrag leistet. Nicht nur für die Wissenschaftsgemeinschaft, sondern auch für Praxis und Gesellschaft. Ich publiziere meine Forschung daher nicht nur in Fachjournalen, ich bereite sie auch für eine breitere Öffentlichkeit auf, sei es über Interviews in Tageszeitungen oder über Datenvisualisierungen. Ich finde es sehr wichtig, gerade junge Menschen für die Accounting-Forschung zu begeistern. Ich beobachte immer wieder, dass viele junge Menschen BWL studieren, weil sie einen Werkzeugkasten für eine Karriere in der Wirtschaft erwerben möchten. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich finde es allerdings schade, dass die BWL so wenig wissenschaftlich interessierte junge Menschen anlockt. Das sollten wir ändern. Wir sollten diesen jungen Menschen zeigen, wie spannend Forschung in der BWL sein kann. Daher finde ich es wichtig, dass Forschende mehr darüber nachdenken, wie sie ihre Forschungsergebnisse speziell für Schülerinnen und Schüler interessant und spannend gestalten können. Wie sie beispielsweise durch Datenvisualisierungen deren Spieltrieb und Neugier wecken – und den Schüler*innen die BWL so von einer ganz anderen Seite zeigen können.

 

Die im Beitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Forschenden wieder und entsprechen nicht grundsätzlich der Meinung des TRR 266. Als Wissenschaftsverbund ist der TRR 266 sowohl der Meinungsfreiheit als auch der politischen Neutralität verpflichtet.  

In diesem Beitrag wird ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Researcher of the Month Juli

Beteiligte Institutionen

Die Hauptstandorte vom TRR 266 sind die Universität Paderborn (Sprecherhochschule), die HU Berlin und die Universität Mannheim. Alle drei Standorte sind seit vielen Jahren Zentren für Rechnungswesen- und Steuerforschung. Hinzu kommen Wissenschaftler der LMU München, der Frankfurt School of Finance and Management, der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover, die die gleiche Forschungsagenda verfolgen.